Nicht perfekt aber besser als gedacht: Die Anfänge der X-Men
In den 40er Jahren wachsen zwei sehr besondere Jungen auf sehr unterschiedliche Weise auf: Im Konzentrationslager wird der 10jährige Erik Lehnsherr brutal von seinen Eltern getrennt. Durch diesen Schock manifestieren sich erstmals seine Mutantenkräfte, denn er ist in der Lage, magnetische Felder nach belieben zu manipulieren. Dem Lagerarzt Schmidt gefällt das sehr. Zur gleichen Zeit langweilt sich der gleichaltrige Charles Xavier im weitläufigen Herrenhaus seiner abwesenden Eltern und fragt sich, ob er mit seiner Gedankenleserei der einzige Mensch mit außergewöhnlichen Fähigkeiten ist – bis er die Gestaltwandlerin Raven in seiner Küche überrascht.
Der Frauenaufreisser: Charles Xavier aus anderer Perspektive
1962 ist Charles ein junger Akademiker, der seine Fähigkeiten in erster Linie nutzt, um Mädels aufzureißen, während Erik als Nazijäger um die Welt reist, immer auf der Suche nach Schmidt, der damals seine Mutter kaltblütig ermordet hatte. Just als Erik ihn stellt, kommt ihm Charles in die Quere, der mit einem Team des CIA ebenfalls darauf aus ist, Schmidt, der sich jetzt Sebastian Shaw nennt, das Handwerk zu legen. Kurzerhand tun sie sich zusammen und rekrutieren ein Team aus jungen Mutanten, um den von Shaws „Hellfire Club“ vorangetriebenen 3. Weltkrieg zu verhindern. Doch schon während Charles und Erik das Team noch trainieren, wird deutlich, dass sie damit sehr unterschiedliche Ziele verfolgen.
Die X-Filme haben eine bewegte Geschichte hinter sich
Der erste X-Men von 2000 war sowohl bei Kritik als auch Publikum ein voller Erfolg und trat die Lawine von Superheldenverfilmungen los, die bis heute andauert. Auch die Fortsetzung von 2003 konnte noch viele Lorbeeren einheimsen – mit X-men 3 begann sich der Trend jedoch umzudrehen: viel zu kurz und völlig überladen brachte er die Trilogie zu einem lieblosen Abschluss. Das Spin-Off „Wolverine“ war dann nur noch in jeder Beziehung als überflüssig zu bezeichnen. So schwante einem nichts gutes, als bekannt wurde, dass der nächste X-Film ein Prequel mit Mutanten im Teenager-Alter werden würde. Umso erfreulicher ist es, dass bei „X-Men: Erste Entscheidung“ ein richtig guter Film herausgekommen ist. Regisseur Matthew Vaughn schafft es tatsächlich, der Entwicklung seiner Figuren eine angemessene Tiefe zu geben und im richtigen Verhältnis zum Effekt-Spektakel zu gewichten. Das 60er-Jahre-Setting hat dabei durchaus einen größeren Einfluss auf die Story als Frisuren und Klamotten. Denn im Gegensatz zu den älteren X-Filmen, die schwer an ihrer Minderheiten-Allegorie knabberten, ist der Tonfall insgesamt sehr viel leichtfüßiger: Zwar leiden die Mutanten auch hier unter ihrer Andersartigkeit, doch dürfen sie zwischendurch auch einmal Spaß an ihren Superkräften haben.
O-Ton: „… dann bin ich banshee“
Auch Kevin Bacon hat als Sebastian Shaw sichtbar einen Mordsspaß am Bösewichtsein und bringt einen gehörigen Schuß James-Bond-Feeling mit in die Story. Überhaupt scheint der Welteroberungsplan des „Hellfire Clubs“ direkt aus einer unschuldigeren Zeit zu stammen, als man es noch tatsächlich für plausibel hielt, das nukleare Strahlung Menschen Superkräfte verleihen kann. Eigentlich aber steht das Verhältnis von Charles und Erik im Mittelpunkt des Films, dem James McAvoy und Michael Fassbender eine vielschichtige Dynamik verleihen. Zwar hat Michael Fassbender als getriebener Erik Lehnsherr ein, zwei dankbarere Auftritte, dafür kann James McAvoy als Xavier dem Gründer der X-Men ein paar bisher unbekannte Facetten hinzufügen, die seine Entwicklung umfassender machen. Die meisten anderen Mutanten haben zwar weit weniger Screen Time, diese wird aber erfolgreich genutzt, um sie als Charaktere dreidimensionaler zu gestalten.
Ein perfekter Film ist „X-Men: Erste Entscheidung“ bei weitem nicht
Über die Plausibilität des Plots sollte man nicht allzu genau nachdenken. Auch die fiktive Geschichte mit den realen Ereignissen der Cuba-Krise zu verbinden, klingt zunächst wie eine nette Idee, wirkt im Film selbst aber ziemlich aufgesetzt. Dann ist da noch das Ende, an dem der Film plötzlich ins Hetzen kommt und schnell schnell noch alle Figuren in die bekannten Ausgangpositionen gepeitscht werden. Sei’s drum. An den richtigen Stellen nimmt sich der Film ernst und an anderen zeigt er ein deutliches Augenzwinkern, und seltsamerweise ergibt diese krude Mischung einen hohen Unterhaltungswert. Gerade nach den drögen vorangegangenen X-Filmen ist es eine Wohltat, dass tatsächlich noch jemand etwas mit den Figuren der Serie anzufangen weiß.
1 Kommentar
Kommentieren →Der Erfolg der besseren X-Men-Filme ist auch der Comic-Vorlage geschuldet. "X-Men" war stellenweise eine der meistverkaufenden und teils besten Serien im Marvel-Universum. Superhirn Charles Xavier übertrifft an konsequenter Personenzeichnung (oder -Übersteigerung) praktisch jede andere Super-Hirn-Figur, auch Mr. Fantastic von den "Fantastic 4". Hier konnten die Filmemacher für ihre Drehbücher aus dem Vollen schöpfen. Schade, dass nicht immer was gutes dabei rauskam.