Comic-Zeichenkunst: Haben die „Be a Nose“-Skizzenbücher von Art Spiegelman den richtigen Riecher?

Art Spiegelman ist ein New Yorker Illustrator mit dem Approach des Künstlers. Berühmt geworden ist er mit der Comic-Grafic-Novel „Maus“. Jetzt liegen drei Original-amerikanische 2009 publizierte Skizzenbücher im deutschen Buchhandel vor.

Art Spiegelman

Art Spiegelman, der Manchmal-Comic-Zeichner mit dem Habitus des Künstlers wird notorisch überschätzt. Keine Besonderheit. Viele, die irgendwie der Kunstszene zugerechnet werden, werden überschätzt. Kunst ist ein Label des Besonderen geworden. Viele schmücken sich damit, kaum einer hält, was er dem Publikum verspricht.

Spiegelman wurde in unseren Breiten durch drei Werke rund um die Comics bekannt: Er hatte zwischen 1980 und 1991 das überformatige Magazin „Raw“ herausgegeben. Es war ein Magazin, das ungeschliffen und punkig-brachial daherkam, allein durch seine Größe anders war als alle anderen Comic-(Beinahe-)Periodika und einen avantgardistischen Anspruch hatte. In „Raw“ veröffentlichte Spiegelman sein Opus Magnum „Maus. Die Geschichte eines Überlebenden“, das die Erlebnisse von Spiegelmans Eltern im Konzentrationslager Auschwitz schildert. Der erste Band erschien auf Deutsch 1989, der zweite Band 1991.

Skizzenbücher von Art Spiegelman

„Maus“ erhielt 1992 den Pulitzerpreis und zog ein breites und vielfältiges Medienecho nach sich, das in Deutschland im medialen Aberwitz gipfelte als anlässlich des Comic-Salons in Erlangen Plakate wegen angeblicher Nazi-Propaganda beschlagnahmt wurden – obwohl „Maus“ als Werk eines jüdischen Comic-Zeichners genau das Gegenteil kommunizierte. „Maus“ war in Form einer Tier-Parabel erzählt, die in der assoziativen Nähe zu Infantil-Ikone Micky Maus einen provokativen Ansatz wählte. Der Comic wurde vor allem wegen seiner Inhalte und der erzählerischen Herangehensweise ein Liebling der Kritik, gar ein Modell der Comic-Form „Grafic-Novel“. Spiegelman galt als Grenzgänger zwischen Kunst und anspruchsvollem Comic, die Spiegelman‘s Magazin „Raw“ verkörperte. Ihm haftete darüber hinaus das Prädikat an, sogar der Erfinder der Grafic Novel zu sein. Tatsächlich hatte aber „Spirit“-Schöpfer Will Eisner bereits 1978 mit „A Contract with God“ („Ein Vertrag mit Gott“, übrigens auch aktuell wieder in Comicläden und im Buchhandel als Hardcover-Buch erhältlich) die erste Grafic Novel als Erwachsenen-Comic in Buchform geschaffen.

Nur eines wurde übersehen: Spiegelman, der Grafiker und Zeichner und inzwischen Art Director des „New Yorker“ ist, konnte zeichnerisch eigentlich nicht viel Neues bieten. Der Großteil seiner Arbeiten ist Underground-Comic-inspiriert, stilistisch mit deutlichen Anleihen bei Robert Crumb. Spiegelman bediente sich bei allen möglichen Populär-Comics und subsummierte so vieles der Popkultur in seinem Werk. Doch der entscheidende Funke, der seine Arbeiten über das Übliche heraushob, fehlte meist.

Damit kommen wir zur Buch-Werkausgabe der literarischen Arbeiten von Boris Vian, deren Cover Art Spiegelmann ab 1979 für den 2001-Verlag illustriert hatte und die neben „Raw“ und „Maus“ das dritte bedeutende Werk Spiegelmans war, das man in Deutschland wahrnehmen konnte. Diese Illustrationen sind das Beste, was der Illustrator gezeichnet hat, eine Art Quintessenz seines Könnens. Es sind simple Illustrationen die visuell klar auf den Punkt kommen und einige originelle Ideen enthalten.

Daneben konnte man den Namen Art Spiegelmann als den eines Buchgestalters und Herausgebers zum Beispiel in der Adaption des Paul Auster-Romans „Stadt aus Glas“ lesen (der von David Mazzucchelli gezeichnet wurde) oder in seinem biografischen Buch „Breakdowns“. Die Skizzenbücher nun sind ein kühner Schritt. Klar, Spiegelman ist berühmt. Wer berühmt ist, kann auch Skizzenbücher veröffentlichen, was im Reich der Comics einem Adelsschlag nahekommt aber auch eine gehörige Portion Exhibitionismus bietet, offenbart doch der Zeichner unverstellt sein Grafiker-Herz, zeigt das, was unter der Oberfläche liegt. Aber ist da wirklich etwas Neues zu finden? Was können die Skizzenbücher bieten, was beweisen? Dass Spiegelman ein großer Zeichner und Designer ist? Bisher hatte er sich eher durch Recycling von Stilistiken aus der Comic-Historie hervorgetan. Er ist ein Sammler von Archetypen und Ikonen vergangener Jahrzehnte. Wie eigenständig können da die Skizzenbücher sein? Außerdem hat man die genial publizierten Skizzenbücher von Robert Crumb vor Augen, ebenfalls beim 2001-Verlag veröffentlicht, die schiere illustrative Kraft zeigten und schwerlich zu übertreffen sind.

Die publizistische Konzeption der Spiegelman-Sketchbooks ist zunächst schon einen Blick wert. Es handelt sich um drei verschieden große, schmale Hardcoverbücher, die mit einem Gummiband zusammengehalten werden. Die Bücher scheinen die Original-Skizzenbücher Spiegelman’s nachahmen zu wollen, was Größe, buchbinderische Verarbeitung und Farbigkeit anbelangt. Das kleinste Buch zeigt die Skizzen von Oktober bis November 1979, das größte den Zeitraum März bis September 1983 und das dritte den von März bis Mai 2007. Die Bände sind 2009 in Amerika publiziert worden und nun auch in Deutschland erhältlich. Sie weisen Spiegelman als kreativen, ideenreichen Zeichner aus, der auch hier seine Nähe zu Underground-Pionier Robert Crumb zeigt. Aber auch andere Stilistiken sind zu sehen, wobei die, die ungeschliffen und fahrig mit einem groben Pinsel illustriert sind, am eindrucksvollsten sind. Allein, es fehlt im großen und ganzen die Eigenständigkeit, es fehlt die illustrative Brillianz, es fehlt das Neue, das Unverwechselbare – denn wer aus den Jahrzehnten amerikanischer Comic-Popkultur unter dem Label „Kunst“ abkupfert, muß um so mehr Eigenes bieten, um das auszugleichen. Art Spiegelman, der Mann, der die Kunst im Namen trägt, bleibt das schuldig. Was bleibt, sind seine grafischen Ideen, die – Pulitzerpreis hin oder her – unzureichend umgesetzt sind.

In einem seiner Skizzenbücher hat Spiegelman notiert: „If you make enough drawing mistakes, can it be called a style?“ Gedankenspiel oder Selbst-Reflexion?

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A propos „Skizzenbücher“: Im Verlag Herrmann Schmidt ist das Buch „Mut zum Skizzenbuch“ erschienen. Es ist eine Mischung aus Skizzenbuch und Reflexion darüber, ein Skizzenbuch zu führen. Autor ist der (Buch-)Illustrator Felix Scheinberger. Das Buch zeigt Scheinberger als herausragenden Illustrator und Skizzierer.

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